55% aller Sprachen kommen ohne Genus aus. Sie haben kein grammatikalisches „Geschlecht“. Sie haben weder ein Geschlecht bei Substantiven, noch bei Personalpronomen, sind also 100% geschlechtergerecht. Die größten Vertreter sind hier Chinesisch, Persisch (Iran, Afghanistan), Türkisch, Japanisch, gesprochen in Ländern die von einer Gleichstellung noch weit entfernt sind. Wie ist im indogermanischen das Geschlecht und das Femininum entstanden und wie kam das mit dem -in im Deutschen? Ich habe dieses Thema bei meiner Recherche zum Thema Gendern gestreift und möchte nicht vorenthalten, was ich dabei interessantes gelernt habe, so wie ich es verstehe.
Das -in ist das Überbleibsel eines Suffix, die Dazugehörigkeit bedeutete. König-in war eine dem König dazugehörige Person. Das ist auch genau der Grund, warum auch das Genus des Wortes weiblich ist. Nein, nicht weil die Königin eine Frau ist, sondern weil das Wort ursprünglich eine abstrakte Konstruktion war, und diese Wörter hatten das Genus, das man im Deutschen heute feminin nennt. Aber von vorne. Im Deutschen gibt es drei Substantivgenera, also drei grammatikalische Geschlechter für Substantive.
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„Maskulin“
Was wir heute Maskulin nennen, ist der Default, das Standard-Genus. Wenn keiner der im folgenden beschriebenen Sonderfälle eintritt, dann bleib einem Wort nur noch übrig, „maskulin“ zu sein. Wenn es in einer Sprache kein Genus gibt, gibt es quasi nur diesen Fall, der dann kein Geschlecht ist, denn um Geschlechter zu haben und unterscheiden zu können, benötigt man mindestens zwei. Die Geschlechter in der Grammatik sind durch Ableitungen anderer Wörter entstanden. Betrachtet man sich die Entstehung der Genera im Deutschen, erscheint mir die Bezeichnung „Maskulin“ für dieses Genus jedoch nicht sonderlich sinnvoll. Eigentlich ist die Bezeichnung Maskulinum eine Folge des Auftretens des Femininums. In Sprachen ohne Femininum ist dieser Fall das Utrum.
„Neutrum“
Das Neutrum entsteht durch die Erfindung von Substantiven, die das Ergebnis einer Handlung sind oder eine Handlung zum Inhalt hatten. Man nennt sie m-Wörter, weil sie durch Anhängen des Suffix -m gebildet wurden.
- Das Leid ist was man leidet.
- Das Geschirr/Joch ist womit dem man das Vieh anschirrt/jocht.
(*jeug = anschirren; jugo-m = womit man anschirren tut = das Joch) - Das Wort ist was man sagt.
(werdh = sagen; werdh-o-m = womit man sagen tut = Wort)
Hier muss man aufpassen. Das Wort kann einmal ein einzelnes Wort sein, aber auch das Gesagte. „Ich gebe dir mein Wort“ bedeutet, ich sage dir etwas und verspreche, es zu halten. Es ist nicht nur ein einziges Wort, das gesagt wird. Neutren bildeten zunächst auch einen abstrakten Sinnzusammenhang.
Worte – nein, Wörter, die grammatisch eine Tätigkeit, einen Vorgang beschreiben oder die Folge davon sind, werden ein Neutrum. Das funktioniert auch heute noch so. Das Backen, das Gebäck, das Telefonieren, das Lesen, das Gelesene, das Schreiben, das Geschriebene und so weiter. Jeder kann nach so einer Methode schnell und einfach neue Wörter bilden, die von jedem automatisch verstanden werden. Den Kuchen backen → das Kuchenbacken. Steht nicht im Duden, versteht aber jeder sofort und jeder weiß auch sofort, wie man das Wort verwendet und dekliniert. Ich freue mich aufs Kuchenbacken.
Hier kann man sehen, dass die indogermanische Sprache sich zur Sprachmaschine entwickelt. Neue Wörter und Abstraktionen lassen sich einfach ableiten. Das ist das Geheimnis des Erfolgs dieser Sprachfamilie und macht sie zu der am häufigsten gesprochenen.
„Feminin“
Feminina sind im Germanischen zuletzt entstanden. Man nennt sie a-Wörter, weil sie durch Anhängen des Suffix -a gebildet wurden Es sind Wörter mit einer abstrakten Bedeutung. Das ist entstanden, um Wörtern den Sinngehalt einer zusammenfassenden Bedeutung zu geben. Zum Beispiel die Liebe. lehd bedeutet „zueinander passen“ Wenn man daraus etwas Abstraktes macht, also ein Substantiv, dann wurde das durch Anfügen eines -a getan: lehda. Heute ist aus dem a ein e geworden (lieb → Lieb-e). lehda ist das, was zusammen passt, zueinander will oder zueinander gehört. Wir nennen es die Liebe. Vergleiche dazu auch die „neutrale“ Handlung, das Lieben.
Neutren wie Feminina hat man durch Anhängen von Suffixen an Stammwörter erzeugt, je nach Art der Bedeutung, die das Wort erlangen sollte. Das bedeutet, das Suffix des Wortes legt auch in der Regel das Genus fest. Das ist auch heute noch bei solchen Konstruktionen so, so bilden zum Beispiel Wörter auf -heit, -keit, -ung immer ein Femininum. Einige alte Wörter haben sich mit der Zeit so weiter verändert, dass man dieses Prinzip bei diesen heute nicht mehr auf Anhieb erkennen kann.
Die abstrakte Bedeutung zu ‚Wort‘, bekommt nun eine neue Endung und ein neues Geschlecht wird „erfunden“. Im Deutschen wird dieses heute Femininum genannt.
Deine Wort-e betören mich.
Das ganze ist eine zeitlich ältere und längere Geschichte. Man beachte, dass ‚Worte‘ nicht ein Plural von ‚Wort‘ ist. Das Plural von Wort ist Wörter und hat eine ganz andere, viel banalere Bedeutung wie Worte. ‚Worte‘ und ähnliche Ableitungen wurden zunächst wie ein Singular behandelt, weil ‚das Worte‘ grammatikalisch korrekt ein Singular ist. Dein Wort(e) ist schön. Erst später ging man dann dazu über und sagte ‚die Worte‘. Schließlich hatte man für bestimmte Abstraktableitungen das Neutrum (das Gebacke/Gebäck), und für unbestimmte, komplexe Abstraktableitungen das neue Geschlecht, das wir heute im Deutschen das Femininum nennen (die Backerei/Bäckerei).
Dass dieses Femininum nichts mit dem Geschlecht eines Lebewesens zu tun hat ist an solchen Wörtern sofort offensichtlich. Bis dahin waren in unserem Sprachzweig Beschreibungen für Menschen unabhängig von deren Geschlecht. Sie standen in der Regel im Standard-Genus, außer man wählte eine besondere, abstrakte Bedeutung, um damit einen Menschen zu bezeichnen. Zum Beispiel kann man sagen
Meine große Liebe.
Liebe ist hier von Genus immer Feminin, unabhängig vom Sexus (oder Gender) der geliebten Person oder des Genus vom geliebten Ding. Es gibt auch noch Liebste, Liebster und Liebstes. So substantivierte Adjektive sind aber etwas gänzlich anderes, weniger abstrakt und deutlich schwächer. „Peter ist meine große Liebe“ ist etwas anderes wie „Der Peter ist mir der Liebste“ (z.B. aus der Menge der Kollegen).
Wir haben jetzt also ein neues Genus, das speziell für unbestimmte abstrakte Substantive steht, oder für Substantive, die ein Kollektiv beschreiben. An dieser Stelle erscheint es nicht sonderlich sinnvoll, dieses Genus „feminin“ zu nennen. Noch hat es mit einem weiblichen Sexus von Lebewesen quasi nichts zu tun.
Schließlich hat man dann damit begonnen, durch diesen Trick Wörter mit der abstrakten Bedeutung der Zugehörigkeit zu bilden. Die Endung -in bedeutete im frühen Mittelalter so viel wie heute die Endung -igkeit: ‚Beschaffenheit‘ im Sinne von ‚Art und Weise‘. Zum Beispiel könnte man das Wort die Königlichkeit bilden und damit die Menschen in der königlichen Familie meinen. Verengt sich die Bedeutung auf den Ehepartner des Königs, hat man die Königin. Das Genus des Wortes ist Femininum. Alle Wörter mit diesem Suffix sind weiblich – allerdings nicht wegen des Sexus der Person, die durch das Wort beschrieben wird, sondern wegen der Endung des Wortes. Die Herrlich-keit, die Überheblich-keit, das funktioniert heute noch genau so. Setzt man einen anderen Artikel vor das Wort, ergibt sich auch sofort ein anderer Sinn. „Der Königin“ bedeutet nicht ein männlicher Königin, sondern, dass das Wort Königin jetzt im Genitiv oder Dativ steht. Der Artikel bestimmt im Deutschen also nicht das sexuelle Geschlecht einer gemeinten Person, sondern orientiert sich an der Grammatik des Wortes. Ganz anders im Englischen oder Französischen. Dort folgen Artikel und/oder Pronomen dem Geschlecht der Person, also dem Sexus (Genitiv: „de la riene“ = „von die Königin“; im Deutschen: „der Königin“).
Wie leicht sich neue Wörter schöpfen lassen und unmittelbar verstanden werden, zeigt sich ebenfalls an Königlichkeit. Laut Duden gibt es das Wort nicht. Dennoch hat man sofort eine recht gute Idee, was, bzw. was für eine Person dieses Wort beschreiben soll, wenn man einen Satz damit hört:
Ihre Königlichkeit ist nur einen König wert.
[Xavier Naidoo; Sie sieht mich nicht]
Das Suffix -in (Derivatem, Ableitungsmorphem) wurde dann auch für andere wichtige Beziehungen übernommen, wie z.B. die friuntin, die Freundin. Den Bedarf an solchen Wörtern (und andere Lösungen) kann man auch in anderen Sprachen finden, z.B. girl-friend. Die inflationäre Entwicklung und Schöpfung dieser Wörter zur Bezeichnung weiblicher Lebewesen über das einfache Derivatem gab es (afaik) nur im deutschen Zweig der indogermanischen Sprachen. Immer wenn man das weibliche Geschlecht besonders erwähnen wollte, hat man die Endung -in angefügt. Auch in anderen indogermanischen Sprachen funktioniert so eine Suffix-Lösung im Prinzip, sie hat sich jedoch nicht als Massenanwendung durchgesetzt (engl. pirat-ess, schwed. lärar-inna – und die Schweden gelten als Vorreiter bei Geschlechtergerechtigkeit).
Die so entstandenen weiblichen Bezeichnungen haben die Bedeutung des generischen Wortes nicht verändert, so wie jegliche Wortschöpfung durch ein Derivatem das Ausgangswort in seiner Bedeutung unverändert lässt. Das Wort Auto ändert seine Bedeutung nicht, nur weil man das Wort Auto-s schafft. Das Auto hat dennoch die Mobilität des Menschen verändert. Ein Freund bleibt ein Freund, auch wenn man durch Anfügen von -schaft eine Freund-schaft schafft.
Die weibliche Bezeichnung wurde zunächst immer nur dann verwendet, wenn man explizit darauf aufmerksam machen wollte, dass man sich auf eine Frau bezieht. Man kann das zum Beispiel an antisemitischen Regelungen des Mittelalters gut erkennen. Wenn alle Juden gemeint waren, dann hieß es Juden dürfen nicht dieses oder die Juden müssen das und jenes. Als man in Nürnberg eine Judensteuer einführte, schrieb man jedoch explizit „Juden und Jüdinnen“, um klar zu machen, dass man bei diesen Heiden das Heidengeld nicht als Haushaltsabgabe definiert hatte, sondern dass die Steuer pro Kopf zu zahlen war. Mit dem Heidengeld verdiente man immerhin ein Heidengeld.
Bürger und Bürgerinnen bedeutet: Bürger, besonders auch die weiblichen. Das Unspezifische wird vor dem Spezifischen genannt. Ob man diese Doppel-Nennung dann diskriminierend oder gerade nicht diskriminierend empfindet, hängt im Zweifel vom individuellen Empfinden ab, möglicherweise auch von einer Konditionierung. Auf jeden Fall fällt die besondere Nennung besonders auf. Man stolpert geradezu darüber. Auch das kann gewollt sein.
Dieser Methode, geschlechterspezifische Abstrakta zu gewinnen, geht auch für männliche Bezeichnungen, aber es wurde und wird in der Regel im Deutschen nicht gemacht. Wollte man geschlechtergerechte Sprache, müsste man ein Derivatem für Männer einführen, oder das Derivatem -in zur Bezeichnung von Frauen aufgeben. Letzteres ist der Trend in anderen Sprachen. Die Abkehr haben bereits mehrere indogermanische Sprachen vollzogen. Mehrere friesische Sprachen haben das Maskulinum/Femininum bereits wieder aufgegeben oder sind gerade dabei dies zu tun. Auch im Niederländischen verschwindet das Femininum bei Substantiven (wenn ich das alles richtig verstanden habe). In den skandinavischen Sprachen taucht das weibliche Suffix quasi gar nicht auf – und Skandinavien gilt als großer Vorreiter bei der Geschlechtergerechtigkeit.
Generisches Femininum
Generisch ist ein Substantiv immer dann, wenn es in seiner Grundform da steht. Es gibt auch generische Feminina zur Bezeichnung von Lebewesen, zum Beispiel die Person (früher noch mit -e am Ende, daher weiblich), die Geisel (von gisel-a, daher weiblich) oder die Waise (‚Frank war eine Waise‘). Häufiger sieht man eine Art generisches Femininum bei Tieren, zum Beispiel die Katze, die Giraffe, die Kuh, die Biene, die Drohne.
Wer jedoch Wörter mit dem Suffix -in (Bäckerin) oder typische Konstruktionen wie BäckerIn oder Bäcker*in als „Generisches Femininum“ einführen möchte, liegt fachlich völlig falsch oder täuscht. Es handelt sich jeweils um eine Erweiterung des generischen Basis-Wortes mit einem entsprechenden Suffix oder Derivatem, ist also schon formal ein Wort mit einer speziellen Erweiterung. Siehe dazu auch meine Artikel zur Ikonizität von Sprache.
Artikel und Personalpronomen
Deutsch ist (afaik) die einzige Sprache, die 3 Genera hat und bei der Artikel und Personalpronomen abstrahiert verwendet werden und nicht vom Sexus abhängen. Artikel und Personalpronomen beziehen sich im Deutschen immer auf das Genus des Substantivs. Das ist eigentlich eine besondere Stärke der deutschen Sprache. Ich gehe dazu in meinem Artikel Schweden wird geschlechtsneutral näher ein.
„Das Mädchen ist müde, es schläft ein.“ (richtig)
„Das Mädchen ist müde, sie schläft ein.“ (falsch)
„Das Kind ist müde, es schläft ein.“ (richtig)
„Das Kind ist müde, er schläft ein.“ (falsch)
„Das Kind, das schläft.“ (richtig)
„Das Kind, der schläft.“ (falsch)
„Das Mädchen, das schläft.“ (richtig)
„Das Mädchen, die schläft.“ (falsch)
Neue Wörter
Das mit dem Zuordnen des Genus nach einem Muster klappt heute noch. Kommt ein neues Wort in das Deutsche, richtet sich sein Genus nach Regeln, die den obigen ähneln. Wenn ein Ausdruck übernommen wird, der ein grammatischer Ausdruck ist, zum Beispiel eine Handlung, ein Vorgang, also etwas das man tun oder machen kann, oder ein Ergebnis davon, dann wird es ein Neutrum. Das Backen, das Gebäck, das Gebackene. Wenn etwas eine abstrakte Beschreibung ist, zum Beispiel ein Kollektiv, dann wird es „weiblich“. Sonst wird es „männlich“. Das Genus hat hier nichts mit einem Sexus zu tun.
- Comeback ist grammatisch, es besteht aus einem Verb und einem Adverb. Comeback beschreibt grammatikalisch einen Vorgang, ist also ein Neutrum. Ebenso englische Wörter mit Erweiterungen auf -ing, wie das Posting, das Gendering.
- Band ist ein Kollektiv, die abstrakte Beschreibung einer bestimmten Gruppe von Menschen, also „weiblich“. Die Band. Ebenso die Crew der Band oder die Gang. Alles „weiblich“, egal welchen Sexus die Leute in den Gruppen haben.
- Burnout könnte man im ersten Moment auch als grammatisch erkennen (to burn out), aber die Bedeutung ist eine andere. Burnout beschreibt einen Zustand, also nicht das Ausbrennen, sondern das ausgebrannt sein. Damit kein Neutrum und auch nicht „weiblich“, damit ist es „männlich“.
- Der Run klingt zwar nach einer Handlung, aber es ist ein Zustand oder eine Veranstaltung. Vergleiche: der Lauf, aber das Laufen / the run, running.
Jetzt kommen noch zwei Ausnahmen. Was ist denn mit „Mail“? Nach der obigen Regel müsste es eigentlich maskulin werden. Ist es aber nicht. Das liegt vermutlich daran, dass neue Wörter auch zunächst instantan qua Verstand ein Geschlecht zugeordnet bekommen können. Das ist bei der Mail passiert. Das hat am Anfang im deutschen Sprachraum nur eine kleine Gruppe verwendet und die haben sich auf ein Genus geeinigt. Meistens ist das dann ein Neutrum. Im Deutschen hat sich in Deutschland bei Mail jedoch das Femininum durchgesetzt, in der Schweiz heißt es dagegen das Mail, vielleicht auch angelehnt an ein verkürztes das Mailing. In Österreich sind beide Genera gleich häufig üblich. Die Handlung mit Mails umzugehen ist wieder klar ein Neutrum, das Mailen.
Noch deutlicher sieht man so etwas bei speziellen Fachwörtern, wie zum Beispiel ‚das Zölibat‘. In der Alltagssprache heißt es klar das Zölibat. Es beschreibt die Tätigkeit der Enthaltsamkeit. Logisch nach Sprachzentrum muss es das Zölibat heißen und das hat sich auch durchgesetzt. Bei den Fachleuten, die von dem Zölibat betroffen sind, heißt es allerdings der Zölibat. Das kommt, weil die auch lateinisch sprechen und das Wort aus dem Lateinischen kommt und dort maskulin ist. Man hat in Fachkreisen das Geschlecht bei der Übersetzung beibehalten und per Verstand gesetzt. Hier kann man schön sehen, wie das Sprachzentrum kurz stolpern kann, wenn man sich nicht an seine Regeln hält.
Ein ähnliches Wort ist das Laptop, der heute weit verbreitet und zu der Laptop geworden ist. Im Gegensatz dazu das Notebook. Dieses Wort wird seltener benutzt und es kommt die Assoziation „das Buch“ über den Verstand mit hinzu, man macht also das was die enthaltsamen Lateiner gemacht haben. Diese Ausnahmen von der Regel zeigen aber auch, dass es geht, wenn man sich nicht streng an obige Regel hält. Gerade zur Übernahme des Genus aus einem Verwandten Wort, für das es schon ein Wort im Deutschen gibt scheint auf den ersten Blick oft zuzutreffen und schlüssig. Es ist aber wohl eher der Ausnahmefall. Es gibt auch zahlreiche Gegenbeispiele. Es müsste dann zum Beispiel der Schokolade heißen. Das -e impliziert aber „weiblich“ (Schublade, Marmelade,…). In den Regionen, wo Schokolade tatsächlich maskulin verwendet wird, ändert sich die Endung. Der Schoklad oder der/die Schoki. Weitere Beispiele, die gegen die These sprechen, dass man ein Genus aus dem Deutschen übernimmt: Der Shit (die .. genau), der Slide (die Folie), der Link (die Verbindung, das (Binde-)Glied), der Gig (das Konzert), der Song (das Lied), der Loop (die Schleife), der Cluster (die Häufung), usw. Eine solche Erklärung ist offensichtlich nicht alleine tragfähig.
Die zweite Ausnahme ist, wenn Wörter weibliche Lebewesen bezeichnen. Dann werden die Fremdwörter in der Regel als weibliche Substantive übernommen. Die DJane.
Die Fälle, bei denen ein übernommenes Substantiv eine Person beschreibt und das Genus nicht mit dem Sexus überein stimmt, sind sehr überschaubar. Es handelt sich dabei eigentlich immer um bildsprachliche Übertragungen. So gab es ab dem 15. Jahrhundert an Höfen und später auch bei reichen Bürgern Zimmer, die speziell den Frauen vorbehalten waren. Männer hatten in den Frauenzimmern nichts zu suchen. So wie man heute sagen kann ‚das Weiße Haus hat entschieden‘ und man meint eigentlich den Präsidenten, so wurde auch ‚das Frauenzimmer‘ auf die Frauen übertragen angewendet. Das Genus wird beibehalten.
Fazit
Ich finde es irre spannend, wie sich Sprache so entwickelt. Spannend gerade am Deutschen ist, dass sich so leicht neue Wörter ableiten lassen. Auch die Leistung, das Genus vom Sexus zu trennen ist eigentlich etwas sehr praktisches. Man kann damit Probleme umgehen, die vielen anderen Sprachen zu schaffen macht.
Sehr ungünstig erscheint mir die Bezeichnung der drei Genera im Deutschen mit (Generischem) Maskulin (männlich), (Generischem) Femininum (weiblich) und Neutrum (nicht-lebendig). Irgendwie will das für mich nicht recht passen und klingt mindestens logisch falsch oder mindestens nur bedingt richtig. Man hat hier eine Bezeichnung übernommen, die für andere Sprachen verwendet wird, die nicht zwischen Genus und Sexus unterscheiden. Gerade das Abstrahieren auf ein generisches, vom Sexus unabhängiges Wort macht aber eine Sprache besonders mächtig.
Das Problem im Deutschen mit dem Gendern ist wohl zu einem Großteil darauf zurück zu führen, dass das Deutsche daran festgehalten hat, Substantive für Frauenbezeichnungen konsequent abzuleiten oder dass man sogar scheinbar durch Gerichtsurteile dazu gezwungen wird. Sprachen, die auf die Verwendung femininer Substantive verzichten, haben dieses Problem nicht. Dafür haben diese in der Regel das Problem, dass Pronomen jeweils nach dem Sexus einer gemeinten Person gewählt werden muss. Das ist knifflig, wenn dieser unklar oder unspezifisch ist und verursacht dann große Probleme, die es im Deutschen nicht gibt (solange man nicht qua Zwang gendert, oder durch Einführen von Gendern die Bedeutung „maskuliner“ Wörter verschiebt. Genau letzteres scheint derzeit zu geschehen. Die Sprache gibt eine ihrer besonderen Stärken auf.
Etwa 55% der Sprachen haben kein Genus, sind also 100% geschlechtergerecht. Große Vertreter sind hier Chinesisch, Persisch (Iran, Afghanistan), Türkisch, die meisten kurdischen Sprachen, Japanisch und weitere. Keines dieser Länder ist als ein Land bekannt, in dem die Gleichstellung der Geschlechter besondere Erfolge erzielt hat. Vielmehr wird gerade in diesen Ländern die traditionelle Rolle der Geschlechter sehr betont.
Gender-Gap-Rangliste 2013:[➚]
China, Platz 69
Japan, Platz 105
Türkei, Platz 120
Iran, Platz 130
Links
- Genus Teil 1: Gendern ist Mist ?
Über Ikonizität von Sprache. Wie ist unsere Sprache aufgebaut? Warum klingt manches komisch? - Genus Teil 2: Ideen zum Gendern
Welche Möglichkeiten gibt es und wie kann man diese bewerten. - Genus Teil 3: Gendern-Studien
Ist Gerechtigkeit abhängig von Sprache? Wie sehen Studien aus? Gibt es Länder mit geschlechtergerechter Sprache? Wie halten diese es mit der Gleichstellung? - Genus Teil 4: Schweden wird geschlechtsneutral
Hier gehe ich auf einen Artikel von Queer.de ein, zur Aufnahme des geschlechtsumfassenden neuen Personalpronomens „hen“ in der schwedischen Sprache. Was bedeutet das und wo oder wie ist uns Schweden voraus? - Genus Teil 5: Gendern-Studien
- Genus Teil 6: Wie die Geschlechter entstehen
- LM-Uni München, Frauenbeauftragte:
Leitfaden gendergerechte Sprache
(ohne zu gendern) - Ikonizität in der Sprache
Ist der Dalai Lama der geistige oder der geistliche Führer der Tibeter? Warum gibt es körperlichen, aber keinen geistlichen Verfall, dafür aber geistigen Verfall? Findet eine Vorlesung vierzehntägig oder vierzehntäglich statt? Worin besteht der Unterschied zwischen Technik und Technologie? Warum ist das Maskulinum das Standardgeschlecht (generisches Maskulinum)? Warum sagen wir: »Viele Autofahrer fahren zu schnell« – wo doch die Hälfte davon Autofahrerinnen sind? Auf diese Fragen gibt es eine Antwort: Ikonizität! - Genus im Deutschen
Maskulinum, Femininum und Neutrum: Wie funktioniert das grammatische Geschlecht im Deutschen? Welches Geschlecht erhalten neue Substantive wieBlog
,Burnout
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? Wie sind all die Substantive des deutschen Wortschatzes zu ihrem Genus gekommen, und warum gibt es dabei so viele Ungereimtheiten, wiedie Finster|nis
, aberdas Gleich|nis
,die Socke
, aber zugleichder Socken
?
In unserem Kopf arbeitet eine perfekte Maschine, die über das Genus aller Substantive wacht. Aber sie arbeitet anders, als wir erwarten. Belles Lettres baut die Genusmaschine nach.
Leider vergallopiert sich der Autor manchmal etwas ungünstig in ihm fachfremden Terrain (Genetik, Elektrotechnik). Da muss man großzügig drüber hinweg sehen.
Glossar
- Genus / Genera:
gramatikalisches Geschlecht (z.B. -Neutrum, Utrus, Generikum, ..) - Sexus:
biologisches Geschlecht oder Gender eines Lebewesens - Generisches Femininum:
Das Femininum ist in der Regel nicht generisch, da es mit der Suffix -in eine von der generischen Form erweiterte Form ist. Siehe Ikonizität von Sprache.
Es gibt einige wenige Wörter, die Generisches Femininum sind, zum Beispiel: Die Person, die Geisel, die Waise. - Generisches Maskulinum:
eigentlich sehr ungünstig gewählter Begriff, da die generische Form Sexus-unabhängig ist. Eigentlich ist es Generikum, ich nutze daher auch lieber diesen Begriff. Eine abgeleitete Form für Subjekte mit männlichem Sexus gibt es im Deutschen nicht.
Hinweis: Ich bin kein gelernter Sprachwissenschaftler, sondern habe mich “nur” eingelesen. Es kann sein, dass eigene Gedankengänge im obigen Text fehlerhaft sind.
Hey,
in der Tat solltest Du Dich zunächst auf einer wissenschaftlichen Ebene mit Sprache auseinandersetzten, um nicht in das Triviale abzugleiten.
Dann passt das nicht auf eine parteiische Subdomain, denn Parteien arbeiten auf eiener politischen Ebene, in der es kein richtig und falsch gibt. Also, wenn wissenschaftlich, dann mit Tiefenschärfe. Der Versuch politische Positionen mit (vorgeblicher) Expertise zu untermauern endet häufig in der Sprache der Alternativlosigkeit (Dogmatismus).
Gruonet der walt allenthalben.
wâ ist mîn geselle alsô lange?
der ist geriten hinnen.
owî! wer sol mich minnen?
Finde das Standardgeschlecht.
Ciao,
Karl Ungenannt.
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Hallo Karl/Klaus Ungenannt,
natürlich kann ein eigenständiges, mehrtägiges Einarbeiten kein Studium ersetzen. Ich weise im ersten Absatz auf den Grad meiner Expertise hin. Andererseits sind mir bei meiner Recherche auch Artikel von Professoren / Sprachwissenschaftlern unter gekommen, die bei mir erhebliche Zweifel an deren wissenschaftlicher Vorgehensweise aufkommen lassen. Derlei Vorwürfe helfen nicht weiter. Mir ist auch nicht ganz bewusst, wo ich in diesem Artikel politische Positionen zu untermauern oder Dogmen zu errichten versuche. Das spannende an Sprache ist doch irgendwie auch, dass alles geht, zumindest da wo alle mit machen. Auch dafür zeige ich im Artikel Beispiele.
Dû bist mîn, ich bin dîn.
Tanderadei, so sol es sin.
Frei nach
Dû bist mîn, ich bin dîn.
des solt dû gewis sîn.
dû bist beslozzen
in mînem herzen,
verlorn ist daz sluzzelîn:
dû muost ouch immêr darinne sîn.
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Die Entwicklung der Sprache sollte weitgehend sich selbst überlassen bleiben nach dem Prinzip „Dem Volk auf’s Maul geschaut“. Meine ich. Professorales oder politisches oder gar ideologisches Hineindirigieren fände ich hier falsch. Das würde zu einer gekünstelten Sprache führen. Nötig halte ich allerdings eine gelegentliche Bestandsaufnahme und ein Festschreiben der Entwicklung zum Erhalt der Verständlichkeit (Duden).
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